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„ […] mit den fingern das Kind gelinde regieren und einlencken“ – Ein Blick in ‚Die Kulturgeschichte der Geburt‘ von Eva Labouvie

von | Apr 4, 2022 | 0 Kommentare

Für diesen Monat habe ich für Euch das tolle Buch „Die Kulturgeschichte der Geburt“ von Eva Labouvie angeschaut. Ich war bereits während meiner Recherche zu meiner Bachelorarbeit darauf gestoßen und wirklich fasziniert von den wahnsinnig vielen Originalquellen und den daraus stammenden Zitaten, die Labouvie ausgewertet und zitiert hat. Für unsere Arbeit hier bei TIO_B habe ich mich ausschließlich auf den 2. Teil ihres Buches »Ländliche Geburten« konzentriert und weitere Themen wie Schwangerschaft und Wochenbett ausgeklammert. Sie skizziert in diesem Abschnitt Abläufe von ländlichen Geburten und mögliche widrige Umstände. Sie fragt, wie Frauen im 16.-19. Jahrhundert Geburten wahrnahmen und untersucht den Umgang mit pathologischen Geburten. Zugegeben, der Lesekomfort war nicht der Größte, da der Lesefluss immer wieder durch direkt integrierte Zitate in altdeutscher Sprache unterbrochen wird. Gleichzeitig waren es aber genau diese Zitate mit ihrem Sprachduktus, die einen so guten Einblick in die Gedankenwelt der ländlichen Frauen gaben. Ich bin nach wie vor fasziniert von diesem Buch und habe so viel Neues gelernt. Was, das erzähle ich euch jetzt.

Geburten vor Gericht

Ihr fragt Euch jetzt vielleicht, was das denn für Quellen sein sollen? Direkte Aussagen von Frauen über Geburtsabläufe aus der Zeit zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert? Auch wenn es so banal ist, will ich trotzdem daran erinnern, dass es zu jener Zeit keine derartige Dokumentation des Lebensalltags gab, wie wir das heute für selbstverständlich halten. Frauen auf dem Land konnten zum Großteil selbst nicht lesen und schreiben – keine eigenen Tagebücher führen. Sie gaben ihr Wissen innerhalb der Frauengemeinschaft eines Dorfes mündlich weiter. Zum anderen fokussierten sich medizinische Dokumentationen lediglich auf Pathologien des Körpers. Hebammenbücher waren eine seltene Ausnahme. Es gab nur einen Bereich in dem die Verschriftlichung elementar war: vor Gericht. Gerichtsakten bei Kindsmordverfahren liefern explizite Aussagen sowohl von der angeklagten Kindsmutter, als auch von Frauen aus einer Gemeinde. Darüber hinaus gibt es vereinzelt Erwähnungen in Biografie-ähnlichen Schriften von Männern und noch weniger von Hebammen. Natürlich müssen wir auch diese Gerichtsakten unter Vorbehalt betrachten; denn auch diese Verfahren trieften nicht selten vor Suggestion, Manipulation und Einschüchterung. Trotzdem ist das ein wichtiges Puzzlestück.

„beystehende weiber“

Geburt war Frauensache. Schwangere auf dem Land waren eingebettet in eine unterstützende Frauengemeinschaft, die sich bereits weit vor dem erwarteten Geburtsereignis um sie sorgte. Bei den „beystehenden Weiber(n)“ handelte es sich oftmals um die Dorfpatronin und Frauen, die bereits selbst Geburten erlebt hatten. Sie kümmerten sich um die Wärme und Behaglichkeit der Kammer, versorgten die Gebärende gegebenenfalls mit Essen und Trinken, stützten sie während der Austreibungsphase und bereiteten die Versorgung des Neugeborenen vor. Die Obrigkeiten forderten zudem die Betreuung durch eine Hebamme. Dabei konnte es nicht selten zu Streit zwischen den Dorffrauen und der Hebamme kommen. Die Empörung war besonders groß, entschied sich eine Hebamme nach Komplikationen und gescheiterten Maßnahmen zur „Aufgabe der Gebärenden“. Denn das Alleinlassen einer Gebärenden war für die Dorffrauen niemals eine Option.

Die weibliche Geburtshilfe auf dem Land beinhaltete nach Ansicht der Dorffrauen also einen kontinuierlichen Dienst, der alle Möglichkeiten der Hilfeleistungen und Betreuung bis zum guten oder schlechten Ende der Geburt einschloß.

Labouvie, 1998, S. 120.

Diese kraftvolle Zusammenkunft mehrerer Frauen wurde von den überwiegend männlichen Obrigkeiten einfach akzeptiert? Ich denke tatsächlich, dass hier ein Vorteil gesehen wurde. Da Männer bei der Geburt weder erlaubt, noch gewollt waren, waren es diese Frauen, die eine bedeutsame Zeugenschaft bildete. Alleingeburten galten nämlich als Beweis Nummer 1 für Kindsmord, der wiederum hart bestraft wurde, um auch die Population zu stärken. Dass ungewollte und verheimlichte Schwangerschaften und dadurch auch Alleingeburten öfter auf der Tagesordnung standen, als wir vielleicht annehmen, zeigt Labouvie in ihrem Kapitel über die Wahrnehmung von Schwangerschaften. Und die zahlreichen Gerichtsakten zeigen ja auch, dass es derlei Verfahren zu Hauf gab. Und trotzdem versuchten Obrigkeiten und Mediziner die Anzahl der betreuenden Frauen zu reglementieren. Sie empfanden mehr als 2 Frauen als störend und unnötig. Ein interessanter Gedanke von Labouvie an dieser Stelle:

Zur Unterstützung einer Gebärenden, die auf einem Stuhl ohne Lehne oder sitzend auf dem Greinbett entband, bedurfte es wenigstens dreier Frauen und weiterer Helferinnen, die vom Gebärlager abkömmlich und für assistierende Tätigkeiten und Handlangungen zuständig waren. Die Ansicht jener Mediziner, die die Zahl der Dörflerinnen bei Niederkünften gern auf zwei reduziert gesehen hätten, orientierte sich deshalb keineswegs an den auf dem Land herkömmlichen und vertrauten Geburtspositionen und –modi, sondern entweder an der von Geburtshelfern selbst propagierten Entbindung auf einem mit Lehne ausgestatteten Gebärstuhl oder der von ihnen sehr befürworteten liegenden Niederkunft im Bett […].

Entscheidungsträger entscheiden top down, was für direkt Betroffene das Beste wäre ohne Berücksichtigung der eigentlichen Gegebenheiten – kommt das noch jemandem bekannt vor?

Geburt im Liegen – nein, danke!

Ich hatte euch im Blogartikel über die Geburtsbilder in der Kunst ja bereits Illustrationen aus Hebammenlehrbüchern vorgestellt, die überwiegend aufrechte Geburten zeigen, die bis Mitte des 18. Jahrhunderts vom Großteil der Frauen gewählt wurden. Das hielt sich im ländlichen Raum tatsächlich sogar länger, nämlich bis ins 19. Jahrhundert hinein. Selbst spezielle Gebärstühle oder gar ein „Greinbett“ wurden von der ländlichen Geburtshilfe nicht angenommen. Die Geburt im Liegen war lediglich für Ausnahmefälle bei Erkrankung und Entkräftung der Gebärenden vorgesehen.

Derartige Gebärmethoden wurden bis zum 19. Jahrhundert auf dem Land keineswegs akzeptiert, fanden jedoch allmählich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in den Städten Verbreitung, bedingt entweder durch eine stärkere ärztliche Kontrolle des städtischen Hebammenwesens, durch eine intensivere männliche Geburtshilfe oder beides gemeinsam.

Labouvie, 1998, S. 114.

Was für mich hier aber besonders spannend war, ist die intuitive Einnahme der aufrechten Gebärhaltung, auf die Labouvie durch wenige Beispiele von Aussagen über Alleingeburten anspielt.

Margarethe Schmidt, die eine Kammer bei Michel Speicher in Püttlingen gemietet hatte, kam am Morgen gerade vom Wasserschöpfen am Brunnen, als die Wehen einsetzten. Da sie ihre Schwangerschaft verheimlicht hatte, blieb sie in ihrer Kammer, deckte das Bett auf und legte sich hinein. Bevor jedoch das Kind von ihr »unten in das bett geschossen« sei, habe sie sich »gebeinet« (gekniet) und danach die „Nachgeburt mit der Nabelschnur heraus gezogen“.

Labouvie, 1998, S. 113.
Bild Hebammenbuch: Rüffen, Jakob: ebammenbuch, Frankfurt am Meyn, 1600

Dieses Gespür der Gebärenden lässt sich auch im folgendem Zitat gut herauslesen und zeigt, wie wichtig es für viele Frauen ist, sich unter der Geburt zu bewegen. Damals wie heute! Spätestens mit der Austreibungsphase hätten die meisten Gebärenden kein Bedürfnis gehabt in einer liegenden Position zu verharren.

Als bei der Elisabetha Schmiederin aus Hechen, die die anfänglichen Wehen zuvor im Liegen ertragen hatte, »das Kind zur Geburt nahe gewesen«, habe sie »zu der Zeit ohn möglich ruhe haben können«, weshalb die anwesenden Frauen sie gemeinsam vom Lager hochzogen und wenig später das Neugeborene, das sie stehend zur Welt brachte, von ihr entbinden konnten.

Labouvie, 1998, S. 113.

„ […] mit den fingern das Kind gelinde regieren und einlencken“

Was mich tatsächlich schockiert hat, war die Selbstverständlichkeit von Interventionen bereits zu dieser Zeit. Dabei handelt es sich im Falle von Labouvies Auswertungen vor allem um vaginale Untersuchungen, die wiederholend als „geschickter Angriff“ zitiert wurden. Anscheinend gab es in der ländlichen Geburtspraxis die gängige Meinung, dass dem Kind beim Durchrutschen durch den weichen Geburtskanal geholfen werden müsste. Dabei kam es wohl häufig zu Verletzungen durch Hände und Fingernägel, die zu Entzündungen, Schwellungen bis hin zum Tod führen konnten. Bei den Auswertungen zu Statistiken über die Säuglings- und Müttersterblichkeit der Autorin waren Todesfälle während oder im direkten Zusammenhang mit der Geburt eine Seltenheit im Vergleich zu den zahlreichen Todesfällen im Wochenbett (bis zum 10. Lebenstag des Kindes). Und das lag vermutlich überwiegend an falscher und fehlender Versorgung, die sich mit Infektionen und mangelnder Hygiene ein »High Five« gaben. Asepsis und Antisepsis waren ja bis Ende den 19. Jahrhunderts selbst in der Medizin noch kein beachtenswertes Thema.
Ich persönlich hätte aber nicht gedacht in jener Zeit dieses Mindset von einer angeblichen Notwendigkeit von Interventionen bei doch physiologisch natürlichen Vorgängen zu finden. Dass Natur bzw. natürliche Vorgänge unsere (menschliche) Hilfe benötigen, war für mich bisher eine durchaus patriarchale Sichtweise. Oder vielleicht doch nicht?1

Väter müssen draußen bleiben

Nun wird auch in anderer Literatur so gern dieser Zusammenhalt und die Unabhängigkeit der Frauen unter einer Geburt gefeiert. Das tröstet natürlich unser lange unterdrücktes, feministisches Herz, aber es begeht auch gleichzeitig einen enormen Fehler. Es übersieht nämlich die fatalen Folgen dieses Ausschlusses: die Chance eines rituellen Übergangs auch für die männliche Weltbevölkerung vom Mann zum Vater. Damit wurde den Männern, meiner Meinung nach, auch die Möglichkeit der Wertschätzung ein Stück weit genommen, sodass Geburten, wie Labouvie das auch ausführt, oftmals nur ein statistischer Vermerk in der Hausgeschichte oder Biografie blieben.

[…] Im Jahre 1783 den 4ten Octobris des abends gegen 10. Uhren gebahr meine Frau ein Mädchen, ist gestorben den 2ten Jenner 1784 an einem stück eitherren […].

Labouvie, 1998, S.107.

Diese fehlende Teilhabe der Väter haben wir bis ins 21. Jahrhundert geschleppt, wo es Männern immer noch schwerfällt die Vaterschaft mit der systemischen Männlichkeit in Einklang zu bringen. Frauen haben also auf diese Weise ihren Teil zu dieser Entfremdung beigetragen.

Der Geburtsschmerz – das Patentrezept für Alles

Im Abschnitt über die Empfindungswelt der Frauen zu Schwangerschaft und Geburt spielte natürlich auch der Schmerz eine große Rolle. Aber anders, als ich das erwartet hatte, geht es dabei weit über die körperliche Erfahrung hinaus. Tatsächlich ist er ein sehr komplexes Konstrukt:

Allen Geburten war das Erlebnis des Schmerzes gemeinsam. Er war physische Begleiterscheinung, psychische Schreckfigur, Gradmesser der Belastbarkeit, Anhaltspunkt für einen guten oder schlechten Geburtsverlauf und Anlaß zu vielfältigen Mutmaßungen, ja eines der äußeren Signien für den fehlenden Blick ins Leibesinnere.

Labouvie, 1998, S.137.

Ich fand es vollkommen irre zu lesen, dass der Schmerzzustand unter der Geburt zur Wahrheitsfindung missbraucht wurde. Wie bei der Folter. Gerade wenn die Identität des Kindsvaters unklar war, wurde der Geburtsverlauf abgewartet, bis die »richtigen« Wehen einsetzten. Es galt die Annahme, dass die Gebärenden unter dem Einfluss von starken Geburtswehen gar nichts anderes als Wahrheit sagen konnten. Gesucht wurde oftmals der rechtmäßige Kindsvater, um diesen zur Verantwortung zu ziehen und das Ansehen der ledigen Mutter, aber auch eine finanzielle Unterstützung zu sichern.

Tausende von Anzeigen sind allein in den lothringischen Archiven verzeichnet, nach denen die jungen Mütter bei Angabe der Kindsväter vor Amt die bei der Geburt anwesende Hebamme oder die Frauen als Zeuginnen angeben, denen sie während der Wehen den rechten Vater genannt hatten […].

Labouvie, 1998, S.149.

Gleichzeitig, und das ist noch viel verrückter, konnte der Grad der Schmerzen für eine Dynamik sorgen, die sich gegen die Gebärende richtete. Die Qualität und Quantität von Wehen wurde nämlich von den beistehenden Frauen beurteilt und in „wahre“ und „wilde“ Wehen unterschieden. Die Wahrnehmung der Gebärenden selbst hatte scheinbar keinen großen Wert. Und wenn eine Gebärende unter der Geburt an sehr starken „wilden Wehen“ litt, wurde die Gebärende dafür selbst verantwortlich gemacht.

[…] das Zuviel an Schmerzen […] (wurde) im Kontext der Schuld als Strafe für die Übertretung von Regeln des Alltagslebens (gesehen). Es sei kein Wunder, so kommentierten […] die Dörflerinnen von Beurig 1721 die unmenschlichen Geburtsschmerzen einer Nachbarin, dass sie so hätte leiden müssen, denn allzeit sei sie selbst während der Schwangerschaft zu einem Tänzchen bereit gewesen.

Labouvie, 1998, S.154.

Evas Erbe

Im Gegensatz zu dieser Vorstellung von Geburtsschmerz als Buße einer bestimmten Frau für eine bestimmte Schuld steht die „abstrahierende und generalisierende kirchliche(n) Auffassung, daß alle Evastöchter für die Sünde der ersten Frau büßen mußten […].2 Auch wenn diese Interpretation auf dem Land laut Labouvie gerne ignoriert wurde, heißt es trotzdem im Alten Testament:

Und zum Weibe sprach er (Gott): Ich will dir viel Schmerzen schaffen, wenn du schwanger wirst; du sollst mit Schmerzen Kinder gebären; und dein Verlangen soll nach deinem Manne sein, und er soll dein Herr sein.

Genesis, 3:16

Dass es hier eine Jahrhunderte lange Konditionierung gibt, wodurch Geburt unbedingt mit dramatischen Schmerzen verbunden sein muss, wie Marie F. Mongan es in ihrem Buch3 behauptet, zeigt sich auch in folgendem Gebetstext, den Labouvie in ihrem Buch ebenfalls zitiert:

Gib meinem Herzen Kraft, o Herr, dass es die Schmerzen der Niederkunft ertrage, und daß ich als Ausdruck Deiner Gerechtigkeit hinnehme, die Du wegen der Sünden der ersten Frau an unserem Geschlecht übst. Daß ich um dieses Fluches willen, der auf mir ruht, und wegen meiner eigenen Sünden in der Ehe die schlimmsten Schmerzen freudig erdulden möge…Mein Leiden ist niemals genug, um meine Sünden auszulöschen…Wenn es Dein Wille ist, dass ich bei der Niederkunft sterbe, will ich dieses gnädige Schicksal willig und in Anbetung auf mich nehmen.

Labouvie, 1998, S. 141.

Puhhh…das hat mir mein Herzchen angeknackst. Die Vorstellung, dass Erstgebärende, die keine körpereigene Idee davon hatten, was auf sie zukommt, Tag für Tag kurz vor der Geburt immer wieder solche toxischen Worte herunter gebetet haben, macht mich furchtbar wütend und traurig. Und dann haben sie das auch noch jeden Sonntag von der Kanzel runter, also top-down, bestätigt bekommen. Meine Güte, wie fucked up! Und wenn so ein Glaubenssatz erstmal drin ist und dann über Generationen hinweg gepflegt wird, ist es natürlich schwer neue, positive und motivierende Glaubenssätze zu etablieren. Und genau an diesem Punkt sind wir gerade. Und dabei will ich gar nicht behaupten, dass eine Geburt unbedingt schmerzfrei sein muss, aber wir wissen ja mittlerweile, dass es vereinzelt möglich ist, wenn die Geburt komplikationslos verläuft. Nur steckt halt der Großteil der weiblichen Weltbevölkerung noch in diesen alten Glaubenssätzen fest und noch viel schlimmer, trägt sie immer noch weiter in die nächste Generation!

Mythos adé!

Und zum Schluss möchte ich noch mit dem Mythos der gefährlichen Geburt vor Beginn der Geburtsmedizin aufräumen. Die Autorin wertet im Kapitel »’Unglückliche‘ Geburten« einige interessante Statistiken aus, wobei die Zahlen dafür überwiegend aus Kirchen- und Rechnungsbüchern stammen. Zwei Dinge sind dabei interessant: Zum einen, dass die überwiegende Anzahl an Kindern nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Geburt starb, sondern innerhalb der ersten vier Wochen – Thema falsche Versorgung und fehlende Hygiene und so – und, dass Totgeburten auffallend oft im Zusammenhang mit Mehrlingsgeburten auftauchen.

Bei über 50% Prozent aller Totgeburten handelte es sich um entweder einen oder beide Zwillingsgeborenen.

Labouvie, 1998, S. 167.

Und Mehrlingsschwangerschaften- bzw. Geburten stellen ja bis heute extreme Anforderungen an die Geburtsmedizin. In den 1990ern gab es eine Untersuchung von 325 Zwillingsschwangerschaften, wovon nur 61 erfolgreich beendet werden konnten. Das heißt bei 82% überlebte entweder nur ein Zwilling oder keiner.4 Und das, trotz unserem heutigen medizinischen Standard aus Pränatalmedizin Geburtsmedizin und Neonatologie. Bietet unsere heutige Geburtsmedizin also wirklich ein so viel Mehr an Sicherheit? Oder ist nicht vor allem die Hygiene und insgesamt bessere Wochenbettversorgung der eigentliche Game Changer?

Langer Blog – kurzer Sinn

  • Gebärende erhielten bei „legitimen“ Schwangerschaften viel Unterstützung der Dorffrauen
  • Gerichtsakten zu Kindsmordverfahren liefern interessante Aspekte zu Geburtsablauf und Wahrnehmung der Geburt in der Landbevölkerung
  • Interventionen unter der Geburt keine »Erfindung« der Geburtsmedizin
  • Geburt im Liegen war auf dem Land die Ausnahme, in der Stadt ab 18. Jahrhundert gängiger
  • Väter wurden von Geburten ausgeschlossen
  • Geburtsschmerz wurde auch zur Wahrheitsfindung missbraucht und auf dem Land ebenfalls als Strafe für Missachtung alltäglicher Regeln interpretiert
  • Geburtsschmerz spielt auch in christlicher Ideologie eine große Rolle, als Strafe für Evas Verrat
  • Totgeburten überwiegend bei Mehrlingsschwangerschaften
  • Fehlende Hygiene und Wochenbettversorgung sind ausschlaggebend für hohe Sterberaten von Kindern und Müttern

Literatur

1 1,5 Grad Podcast von Luisa Neubauer, Folge 22 „Großmutter – sind Männer schuld an der Klimakrise?“, 2022

2  Labouvie, 1998, S. 154.

3 Mongan, Marie F.: HypnoBirthing. Der sichere Weg zu einer sicheren, sanften und leichten Geburt, Murnau a. Staffelsee, 2014.

4 Dudenhausen, Joachim W./Maier, Rolf F., Perinatale Probleme von Mehrlingen, in: Dtsch Arztebl Int 2010; 107(38): 663-8; DOI: 10.3238/arztebl.2010.0663
https://www.aerzteblatt.de/archiv/78411/Perinatale-Probleme-von-Mehrlingen

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